„Für die Energiewende brauchen wir ganz viele Stromtrassen, damit der Windstrom aus dem Norden in den Süden kommt.“
So hört man es immer wieder, aber stimmt das?
Richtig ist, dass Wind und Photovoltaik (PV) sich gut ergänzen, sie sind relativ oft gegenläufig verfügbar und das insbesondere, wenn man den gesamten Jahresverlauf betrachtet. Im Sommer gibt es viel PV und im Winter viel Wind. Aber macht es denn wirklich Sinn, den Strom für das halbe Land von Norden nach Süden zu transportieren?
Erneuerbare Energien kann man praktisch überall ernten. Lokal gibt es natürlich Unterschiede wie viel Potenzial vorhanden ist und wie günstig welche Energiequelle ist. So kann man im Flachland eher keine Wasserkraft einsetzen, Geothermie braucht die passenden Voraussetzungen in der Tiefe und Windkraft lohnt sich nur an der Küste, aber nicht im Süden. Upps… Echt?
Also Wasserkraft geht nicht ohne ausreichendes Gefälle, aber Wind gibt es überall, die Frage ist nur, wie stark er in welcher Höhe weht. Onshore-Windkraft kostet in Deutschland zwischen 4,3 ct/kWh und 9,2 ct/kWh. Offshore 5,5 ct/kWh bis 10,3 ct/kWh. Offshore Wind kann demnach also sogar teurer sein als Onshore-Wind in Bayern. Warum also will man den unbedingt dahin transportieren?
Die „Suedlink“ Trasse soll etwa 10 Mrd € kosten. Bei einer Kapzität von 4 GW könnten theoretisch bei voller Auslastung rund um die Uhr pro Jahr 35 TWh transportiert werden, also 35 Mrd kWh. So eine Stromtrasse wird über die Netzentgelte bezahlt. Dabei bekommt der Betreiber die Kosten für den Betrieb plus eine garantierte Rendite auf das investierte Eigenkapital, aktuell 6,91%. Das wären also bei 10 Mrd Investition 691 Mio € pro Jahr – Rendite, nicht Gesamtkosten! Also 1,97 ct/kWh für den Gewinn des Betreibers zuzüglich der Betriebskosten.
Diese Rendite gibt es garantiert für 40 Jahre, egal wie viel Strom wirklich über die Trasse geht und auch egal, wofür der Strom über die Trasse geht. Denn das wird zu 70% gar nicht Strom von der Nordsee nach Bayern sein. Die EU-Verordnung (EU) 2019/943 gibt nämlich vor, dass 70% der Kapazität der Übertragungsnetze in der EU für den innereuropäischen Stromhandel zur Verfügung stehen muss! [2]
Bezahlen tun das aber nicht die, die da Strom über große Strecken handeln, sondern die, die an der Trasse wohnen, bei denen landen die Kosten in den Netzentgelten. Und da nur 30% der Kapazität dann tatsächlich den gewünschten Strom heranschaffen, steigen die Kosten pro kWh auf mehr als das Dreifache. Auf jeden Fall kann man schon mal grob abschätzen, dass der Transport des Stroms von Norden nach Süden wahrscheinlich deutlich teurer wird, als es die Kostenunterschiede zwischen der Gewinnung im Norden oder Süden sind.
Und dann kommt noch etwas ganz Doofes hinzu: So eine Stromtrasse kann bei einer Flaute auch nur nicht vorhandenen Strom von Norden nach Süden transportieren. Also nichts.
Zusätzlich zu der teuren Trasse kommt man also weiterhin nicht darum herum, Reservekraftwerke bereitzuhalten, oder noch besser: Speicher zu bauen. Statt also das halbe Land umzugraben, um teure Leitungen zu verbuddeln, die letztlich auch oft nichts bringen, sollten wir besser gleich Speicher aufstellen, die dezentral verteilt eine viel höhere Betriebssicherheit bieten und auch noch weniger kosten. Aktuell kann man bei Batteriespeichern mit Kosten von 3-4 ct für das Speichern einer kWh rechnen, Tendenz schnell fallend, da Batterien sehr schnell noch viel billiger werden.
Aber warum baut man nun doch die Trassen? Ganz einfach, weil das besser zu dem Geschäftsmodell der alten Energiekonzerne passt. Eine gigantische Anlage mit viel Wartungsaufwand und garantiertem Gewinn über Jahrzehnte ist für diese Konzerne viel attraktiver als kleinteilige Anlagen, die auch noch in Konkurrenz mit Genossenschaften, Stadtwerken und lokalen Unternehmen kommen könnten. Und ist die Trasse erst einmal gebaut, dann sind wir, die Stromkunden, 40 Jahre dazu verdammt zu zahlen, denn die Trasse wurde von der Bundesnetzagentur (BNetzA) basierend auf dem Netzentwicklungsplan genehmigt. [3] [4]
One grid to rule them all, one grid to find them, one grid to bring them all and in the darkness bind them.
[1] https://www.ise.fraunhofer.de/de/veroeffentlichungen/studien/studie-stromgestehungskosten-erneuerbare-energien.html (Seite 19 für Gestehungskosten Windkraft)
[2] https://youtu.be/xQlOQS-8Xy8
[3] https://energiepolitik.piratenpartei.de/2024/10/07/antwort-piratenpartei-zum-szenariorahmen-fuer-den-netzentwicklungsplan/
[4] https://energiepolitik.piratenpartei.de/2023/11/22/stellungnahme-zum-netzentwicklungsplan-nep-strom-2023-2037-2045/
„Denn sie wissen genau was sie tun“ ist eine Artikelreihe:
Teil 1: Fossil with a cause
Teil 2: Technologieoffen, oder nicht ganz dicht
Teil 3: Wasser-stoff-schaden
Teil 4: Spiel mir das Lied von der Grundlast
Teil 5: Ein Netz, sie alle zu knechten…
„Für die Energiewende brauchen wir ganz viele Stromtrassen, damit der Windstrom aus dem Norden in den Süden kommt.“
So hört man es immer wieder, aber stimmt das?
Richtig ist, dass Wind und Photovoltaik (PV) sich gut ergänzen, sie sind relativ oft gegenläufig verfügbar und das insbesondere, wenn man den gesamten Jahresverlauf betrachtet. Im Sommer gibt es viel PV und im Winter viel Wind. Aber macht es denn wirklich Sinn, den Strom für das halbe Land von Norden nach Süden zu transportieren?
Erneuerbare Energien kann man praktisch überall ernten. Lokal gibt es natürlich Unterschiede wie viel Potenzial vorhanden ist und wie günstig welche Energiequelle ist. So kann man im Flachland eher keine Wasserkraft einsetzen, Geothermie braucht die passenden Voraussetzungen in der Tiefe und Windkraft lohnt sich nur an der Küste, aber nicht im Süden. Upps… Echt?
Also Wasserkraft geht nicht ohne ausreichendes Gefälle, aber Wind gibt es überall, die Frage ist nur, wie stark er in welcher Höhe weht. Onshore-Windkraft kostet in Deutschland zwischen 4,3 ct/kWh und 9,2 ct/kWh. Offshore 5,5 ct/kWh bis 10,3 ct/kWh. Offshore Wind kann demnach also sogar teurer sein als Onshore-Wind in Bayern. Warum also will man den unbedingt dahin transportieren?
Die „Suedlink“ Trasse soll etwa 10 Mrd € kosten. Bei einer Kapzität von 4 GW könnten theoretisch bei voller Auslastung rund um die Uhr pro Jahr 35 TWh transportiert werden, also 35 Mrd kWh. So eine Stromtrasse wird über die Netzentgelte bezahlt. Dabei bekommt der Betreiber die Kosten für den Betrieb plus eine garantierte Rendite auf das investierte Eigenkapital, aktuell 6,91%. Das wären also bei 10 Mrd Investition 691 Mio € pro Jahr – Rendite, nicht Gesamtkosten! Also 1,97 ct/kWh für den Gewinn des Betreibers zuzüglich der Betriebskosten.
Diese Rendite gibt es garantiert für 40 Jahre, egal wie viel Strom wirklich über die Trasse geht und auch egal, wofür der Strom über die Trasse geht. Denn das wird zu 70% gar nicht Strom von der Nordsee nach Bayern sein. Die EU-Verordnung (EU) 2019/943 gibt nämlich vor, dass 70% der Kapazität der Übertragungsnetze in der EU für den innereuropäischen Stromhandel zur Verfügung stehen muss! [2]
Bezahlen tun das aber nicht die, die da Strom über große Strecken handeln, sondern die, die an der Trasse wohnen, bei denen landen die Kosten in den Netzentgelten. Und da nur 30% der Kapazität dann tatsächlich den gewünschten Strom heranschaffen, steigen die Kosten pro kWh auf mehr als das Dreifache. Auf jeden Fall kann man schon mal grob abschätzen, dass der Transport des Stroms von Norden nach Süden wahrscheinlich deutlich teurer wird, als es die Kostenunterschiede zwischen der Gewinnung im Norden oder Süden sind.
Und dann kommt noch etwas ganz Doofes hinzu: So eine Stromtrasse kann bei einer Flaute auch nur nicht vorhandenen Strom von Norden nach Süden transportieren. Also nichts.
Zusätzlich zu der teuren Trasse kommt man also weiterhin nicht darum herum, Reservekraftwerke bereitzuhalten, oder noch besser: Speicher zu bauen. Statt also das halbe Land umzugraben, um teure Leitungen zu verbuddeln, die letztlich auch oft nichts bringen, sollten wir besser gleich Speicher aufstellen, die dezentral verteilt eine viel höhere Betriebssicherheit bieten und auch noch weniger kosten. Aktuell kann man bei Batteriespeichern mit Kosten von 3-4 ct für das Speichern einer kWh rechnen, Tendenz schnell fallend, da Batterien sehr schnell noch viel billiger werden.
Aber warum baut man nun doch die Trassen? Ganz einfach, weil das besser zu dem Geschäftsmodell der alten Energiekonzerne passt. Eine gigantische Anlage mit viel Wartungsaufwand und garantiertem Gewinn über Jahrzehnte ist für diese Konzerne viel attraktiver als kleinteilige Anlagen, die auch noch in Konkurrenz mit Genossenschaften, Stadtwerken und lokalen Unternehmen kommen könnten. Und ist die Trasse erst einmal gebaut, dann sind wir, die Stromkunden, 40 Jahre dazu verdammt zu zahlen, denn die Trasse wurde von der Bundesnetzagentur (BNetzA) basierend auf dem Netzentwicklungsplan genehmigt. [3] [4]
One grid to rule them all, one grid to find them, one grid to bring them all and in the darkness bind them.
[1] https://www.ise.fraunhofer.de/de/veroeffentlichungen/studien/studie-stromgestehungskosten-erneuerbare-energien.html (Seite 19 für Gestehungskosten Windkraft)
[2] https://youtu.be/xQlOQS-8Xy8
[3] https://energiepolitik.piratenpartei.de/2024/10/07/antwort-piratenpartei-zum-szenariorahmen-fuer-den-netzentwicklungsplan/
[4] https://energiepolitik.piratenpartei.de/2023/11/22/stellungnahme-zum-netzentwicklungsplan-nep-strom-2023-2037-2045/
„Denn sie wissen genau was sie tun“ ist eine Artikelreihe:
Teil 1: Fossil with a cause
Teil 2: Technologieoffen, oder nicht ganz dicht
Teil 3: Wasser-stoff-schaden
Teil 4: Spiel mir das Lied von der Grundlast
Teil 5: Ein Netz, sie alle zu knechten…