Die Diskussion um Atomkraft ist so ungefähr die überflüssigste im Themenbereich Energie, die man sich vorstellen kann. Seit Jahrzehnten ist klar, dass Atomkraft weder billig noch unproblematisch ist. Trotzdem wird das Thema entgegen aller Fakten immer wieder von einigen Leuten als die großartige Zukunftstechnologie verkauft.
Im Rückbau befindliche AKW wieder anfahren
Besonders sinnlos ist die Forderung, die abgeschalteten und im Rückbau befindlichen Reaktoren in Deutschland wieder anzufahren. Das geht damit los, dass keiner der Betreiber bereit ist, wieder ein Atomkraftwerk zu betreiben [1] [2] [3].
Weiter geht es damit, dass alle AKW in Deutschland im Rückbau sind. Das ist ein langer Prozess, der sehr sauber geplant ist. Diesen Prozess abzubrechen würde nicht nur hohe Kosten verursachen, in den Anlagen fehlen schon wesentliche Teile. Der Rückbau eines AKW beginnt im Kernbereich, wo die Strahlenbelastung am höchsten ist. Diese Teile werden zuerst entfernt, da es am sichersten ist, diese zu zerlegen, solange sie sich im gesicherten Bereich befinden.
Entsprechend lächerlich war auch der Aufschrei der Nukular-Gemeinde, als die Kühltürme von Grafenrheinfeld gesprengt wurden [4]. Angeblich wären Milliarden an Volksvermögen vernichtet worden. Das Kraftwerk ist aber im Eigentum von Preussen Elektra und soo teuer ist so ein Kühlturm nun nicht. Zudem ist auch leicht herauszufinden, wie der Rückbau voran schreitet [5]. Ein Reaktordruckgefäß gab es zum Zeitpunkt der Sprengung nämlich gar nicht mehr, der Rückbau hatte bereits 2018 begonnen!
Bleibt also die Behauptung, dass es ein Fehler gewesen wäre, die AKW abzuschalten. Und auch das hält keiner Realitätsprüfung stand. Zunächst einmal wäre die Entscheidung für eine Laufzeitverlängerung in 2022 schon deutlich zu spät gewesen. Zu diesem Zeitpunkt waren längst alle Weichen gestellt für das Ende des Betriebs. Die Anlagen waren auf den Zieltermin auf Verschleiß betrieben worden, das hatten wir damals schon zusammengefasst [6]. Es wäre also zeitaufwändig und teuer gewesen, die AKW für einen weiteren Betrieb fit zu machen, auch wenn manche Leute anscheinend glauben, dass man Brennstäbe bei Amazon mit 24 h Lieferung bestellen könnte.
Aber selbst wenn man die AKW einfach hätte weiter betreiben können, wäre deren Beitrag zum Strommarkt nicht positiv. AKW sind Grundlastkraftwerke, für die gibt es in einem Netz, dass sich zeitweise bereits zu mehr als 100% mit Erneuerbaren versorgen kann, keine sinnvolle Aufgabe mehr [7]. Die Abschaltung der AKW hat bereits in 2023 die Kosten für den Redispatch (Entschädigung für das Abschalten von Kraftwerken bei Stromüberangebot) deutlich gesenkt und gleichzeitig die Nutzung der Kohlekraftwerke reduziert.
Was sich im ersten Moment komisch anhört, ist rein physikalisch bedingt. Ein Stromnetz funktioniert nicht einfach mit der Summe der Erzeugungsleistung, es muss auf Änderungen beim Verbrauch reagieren und der Strom muss im richtigen Netzabschnitt sein. Bei Ungleichgewichten im Netz kann es zu hohen Stromflüssen zwischen Netzabschnitten kommen, die die Leitungen überlasten würden. Dafür laufen dann Kraftwerke, die die Spannung in einem Netzabschnitt erhöhen und das sind meistens fossile Kraftwerke.
AKW sind notorisch schlecht darin, der Last auf dem Netz zu folgen. Auch wenn gerne erzählt wird, dass das ganz problemlos ginge. Häufige Lastwechsel belasten aber die Struktur eines AKW, da diese mit Druckänderungen einher gehen. Hinzu kommt das Problem, dass der Reaktorkern nicht beliebig geregelt werden kann, es kann dann zu einer Anhäufung von Spaltprodukten kommen, die den stabilen Betrieb gefährden. Dazu kommt, dass die Wirtschaftlichkeit im Teillastbetrieb stark leidet. Also fahren AKW mit möglichst nicht zu vielen Leistungsänderungen. Darum brauchen wir weniger Kohlekraftwerke seit wir keine AKW mehr haben.
Ja, also dann neue AKW bauen, möglichst welche der nächsten Generation?
Wer hat jetzt nicht aufgepasst? Auch mit neuen AKW bleibt das Problem, dass dies Grundlastkraftwerke sind, ein Konzept für ein Stromnetz, das es heute nicht mehr gibt.
Und Neubauten – selbst von bereits erprobten Reaktortypen – sind extrem teuer und erweisen sich immer wieder als finanzielle Desaster.
Flamanville 3 [9] ist ein tolles Beispiel dafür, wie Kosten (23 Mrd. €) und Bauzeit (17 Jahre) völlig aus dem Ruder laufen. Der Französische Rechnungshof warnt schon seit Jahren vor den explodierenden Kosten durch die Kernkraft in Frankreich [10].
Die Briten stellen mit Hinkley Point C gleich einen neuen Kostenrekord auf [11], mindestens 53 Mrd € für zwei Reaktoren bedeuten 10 ct pro kWh nur für die Baukosten auf jede kWh die diese Reaktoren in 20 Jahren produzieren können! Finanzierung, Betrieb, Entsorgung und Gewinne nicht eingerechnet. Einer der Hauptinvestoren hat sich bereits zurückgezogen [12].
Die letzten beiden neuen AKW in den USA (Vogtle 3 & 4), die nach vielen Jahren Verspätung und den fünffachen Baukosten in 2023 und 2024 ans Netz gingen, treiben in Georgia die Strompreise hoch [13]. Aktuell gibt es in den USA keine Bauaktivitäten und keine Planungen für weitere AKW. In Texas baut man Wind, PV und Speicher [14].
Es werden mehr alte AKW abgeschaltet, als neue ans Netz gehen. Belgien hat Doel 1 abgeschaltet [15], Doel 2 und Tihange 1 werden noch in diesem Jahr folgen. Pläne für neue AKW gibt es nicht [16]. Um alleine Ihren AKW Bestand zu erhalten, müssten in Frankreich derzeit 10 (!) neue AKW gebaut werden.
So viel zum Märchen „Alle bauen AKW, wir beschreiten einen Sonderweg“.
Aber es gibt die die Reaktoren der 4., 5., 6., 7., 8., 9., 148. Generation? An der übertriebenen Aufzählung kann man schon ablesen, wie ernst diese zu nehmen sind. Den Unsinn nehmen wir in einem der nächsten Artikel auseinander.
Wem nutzt die Diskussion über Kernkraftwerke also?
Wie immer denen, die nicht wollen, dass die Energieversorgung nachhaltig wird, das die Erneuerbaren dezentral in Bürgerhand erzeugt werden, eben Jenen, die mit den fossilen Energieträgern viel Geld verdienen und weiter verdienen wollen. Denn die sinnlose Diskussion über eine gescheiterte Technologie schafft Verunsicherung über einen eigentlich ganz klaren Weg zu 100% Erneuerbaren, den wir gehen müssen, aus ökologischen, ökonomischen, geopolitischen und sozialen Gründen.
* Dies ist eine Referenz zur Fernsehserie „Die Simpsons“ wo Homer Simpson in einer Folge drauf besteht, dass die korrekte Aussprache „nukular“ ist.
Die Diskussion um Atomkraft ist so ungefähr die überflüssigste im Themenbereich Energie, die man sich vorstellen kann. Seit Jahrzehnten ist klar, dass Atomkraft weder billig noch unproblematisch ist. Trotzdem wird das Thema entgegen aller Fakten immer wieder von einigen Leuten als die großartige Zukunftstechnologie verkauft.
Im Rückbau befindliche AKW wieder anfahren
Besonders sinnlos ist die Forderung, die abgeschalteten und im Rückbau befindlichen Reaktoren in Deutschland wieder anzufahren. Das geht damit los, dass keiner der Betreiber bereit ist, wieder ein Atomkraftwerk zu betreiben [1] [2] [3].
Weiter geht es damit, dass alle AKW in Deutschland im Rückbau sind. Das ist ein langer Prozess, der sehr sauber geplant ist. Diesen Prozess abzubrechen würde nicht nur hohe Kosten verursachen, in den Anlagen fehlen schon wesentliche Teile. Der Rückbau eines AKW beginnt im Kernbereich, wo die Strahlenbelastung am höchsten ist. Diese Teile werden zuerst entfernt, da es am sichersten ist, diese zu zerlegen, solange sie sich im gesicherten Bereich befinden.
Entsprechend lächerlich war auch der Aufschrei der Nukular-Gemeinde, als die Kühltürme von Grafenrheinfeld gesprengt wurden [4]. Angeblich wären Milliarden an Volksvermögen vernichtet worden. Das Kraftwerk ist aber im Eigentum von Preussen Elektra und soo teuer ist so ein Kühlturm nun nicht. Zudem ist auch leicht herauszufinden, wie der Rückbau voran schreitet [5]. Ein Reaktordruckgefäß gab es zum Zeitpunkt der Sprengung nämlich gar nicht mehr, der Rückbau hatte bereits 2018 begonnen!
Bleibt also die Behauptung, dass es ein Fehler gewesen wäre, die AKW abzuschalten. Und auch das hält keiner Realitätsprüfung stand. Zunächst einmal wäre die Entscheidung für eine Laufzeitverlängerung in 2022 schon deutlich zu spät gewesen. Zu diesem Zeitpunkt waren längst alle Weichen gestellt für das Ende des Betriebs. Die Anlagen waren auf den Zieltermin auf Verschleiß betrieben worden, das hatten wir damals schon zusammengefasst [6]. Es wäre also zeitaufwändig und teuer gewesen, die AKW für einen weiteren Betrieb fit zu machen, auch wenn manche Leute anscheinend glauben, dass man Brennstäbe bei Amazon mit 24 h Lieferung bestellen könnte.
Aber selbst wenn man die AKW einfach hätte weiter betreiben können, wäre deren Beitrag zum Strommarkt nicht positiv. AKW sind Grundlastkraftwerke, für die gibt es in einem Netz, dass sich zeitweise bereits zu mehr als 100% mit Erneuerbaren versorgen kann, keine sinnvolle Aufgabe mehr [7]. Die Abschaltung der AKW hat bereits in 2023 die Kosten für den Redispatch (Entschädigung für das Abschalten von Kraftwerken bei Stromüberangebot) deutlich gesenkt und gleichzeitig die Nutzung der Kohlekraftwerke reduziert.
Was sich im ersten Moment komisch anhört, ist rein physikalisch bedingt. Ein Stromnetz funktioniert nicht einfach mit der Summe der Erzeugungsleistung, es muss auf Änderungen beim Verbrauch reagieren und der Strom muss im richtigen Netzabschnitt sein. Bei Ungleichgewichten im Netz kann es zu hohen Stromflüssen zwischen Netzabschnitten kommen, die die Leitungen überlasten würden. Dafür laufen dann Kraftwerke, die die Spannung in einem Netzabschnitt erhöhen und das sind meistens fossile Kraftwerke.
AKW sind notorisch schlecht darin, der Last auf dem Netz zu folgen. Auch wenn gerne erzählt wird, dass das ganz problemlos ginge. Häufige Lastwechsel belasten aber die Struktur eines AKW, da diese mit Druckänderungen einher gehen. Hinzu kommt das Problem, dass der Reaktorkern nicht beliebig geregelt werden kann, es kann dann zu einer Anhäufung von Spaltprodukten kommen, die den stabilen Betrieb gefährden. Dazu kommt, dass die Wirtschaftlichkeit im Teillastbetrieb stark leidet. Also fahren AKW mit möglichst nicht zu vielen Leistungsänderungen. Darum brauchen wir weniger Kohlekraftwerke seit wir keine AKW mehr haben.
Ja, also dann neue AKW bauen, möglichst welche der nächsten Generation?
Wer hat jetzt nicht aufgepasst? Auch mit neuen AKW bleibt das Problem, dass dies Grundlastkraftwerke sind, ein Konzept für ein Stromnetz, das es heute nicht mehr gibt.
Und Neubauten – selbst von bereits erprobten Reaktortypen – sind extrem teuer und erweisen sich immer wieder als finanzielle Desaster.
Flamanville 3 [9] ist ein tolles Beispiel dafür, wie Kosten (23 Mrd. €) und Bauzeit (17 Jahre) völlig aus dem Ruder laufen. Der Französische Rechnungshof warnt schon seit Jahren vor den explodierenden Kosten durch die Kernkraft in Frankreich [10].
Die Briten stellen mit Hinkley Point C gleich einen neuen Kostenrekord auf [11], mindestens 53 Mrd € für zwei Reaktoren bedeuten 10 ct pro kWh nur für die Baukosten auf jede kWh die diese Reaktoren in 20 Jahren produzieren können! Finanzierung, Betrieb, Entsorgung und Gewinne nicht eingerechnet. Einer der Hauptinvestoren hat sich bereits zurückgezogen [12].
Die letzten beiden neuen AKW in den USA (Vogtle 3 & 4), die nach vielen Jahren Verspätung und den fünffachen Baukosten in 2023 und 2024 ans Netz gingen, treiben in Georgia die Strompreise hoch [13]. Aktuell gibt es in den USA keine Bauaktivitäten und keine Planungen für weitere AKW. In Texas baut man Wind, PV und Speicher [14].
Es werden mehr alte AKW abgeschaltet, als neue ans Netz gehen. Belgien hat Doel 1 abgeschaltet [15], Doel 2 und Tihange 1 werden noch in diesem Jahr folgen. Pläne für neue AKW gibt es nicht [16]. Um alleine Ihren AKW Bestand zu erhalten, müssten in Frankreich derzeit 10 (!) neue AKW gebaut werden.
So viel zum Märchen „Alle bauen AKW, wir beschreiten einen Sonderweg“.
Aber es gibt die die Reaktoren der 4., 5., 6., 7., 8., 9., 148. Generation? An der übertriebenen Aufzählung kann man schon ablesen, wie ernst diese zu nehmen sind. Den Unsinn nehmen wir in einem der nächsten Artikel auseinander.
Wem nutzt die Diskussion über Kernkraftwerke also?
Wie immer denen, die nicht wollen, dass die Energieversorgung nachhaltig wird, das die Erneuerbaren dezentral in Bürgerhand erzeugt werden, eben Jenen, die mit den fossilen Energieträgern viel Geld verdienen und weiter verdienen wollen. Denn die sinnlose Diskussion über eine gescheiterte Technologie schafft Verunsicherung über einen eigentlich ganz klaren Weg zu 100% Erneuerbaren, den wir gehen müssen, aus ökologischen, ökonomischen, geopolitischen und sozialen Gründen.
* Dies ist eine Referenz zur Fernsehserie „Die Simpsons“ wo Homer Simpson in einer Folge drauf besteht, dass die korrekte Aussprache „nukular“ ist.
„Denn sie wissen genau was sie tun“ ist eine Artikelreihe:
Teil 2: Technologieoffen, oder nicht ganz dicht
Teil 3: Wasser-stoff-schaden
Teil 4: Spiel mir das Lied von der Grundlast
Teil 5: Ein Netz, sie alle zu knechten…
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